Carte Blanche #65
Versuch zwei
Was ich nie für möglich gehalten hätte, ist eingetroffen: Ich wurde «Opfer» der Zensur. Mein Text hat einige Personen offenbar dermassen verletzt, dass sie Zeter und Mordio riefen und skippr daraufhin den Text von der Seite löschte.
Es fällt mir schwer, dies nachzuvollziehen.
Ich will niemanden verletzen. Ich mache mich über niemanden lustig (ich hätte das Wort «Münchhausensyndrom» nicht verwenden sollen, das ist deplatziert und fehlt deswegen hier).
Ansonsten: Ich lade alle Personen, die sich angegriffen fühlten, ein, den Text aufmerksam und mit Musse zu lesen. Ausserdem darf man sich mit mir in Kontakt setzen. Wer kritisiert, aber nicht dazu stehen kann/mag, ist in meinen Augen recht feige. Deswegen: Melden Sie sich bei mir, wenn Sie sich angegriffen fühlen.
Spoiler: Der Text ist aus der Sicht der Personen geschrieben, die die Bibel wortwörtlich interpretieren.
Also hier, Versuch zwei.
In den letzten Monaten hatte ich immer wieder die Gelegenheit, mit verschiedenen Personen des christlichen Glaubens zu diskutieren. Die Gespräche waren interessant, anregend. So sehr, dass ich mich tatsächlich wieder einmal hinter das Buch der Bücher setzte und las.
Ich habe das Gefühl, dass man Christen in fünf Gruppen einteilen kann:
- diejenigen, die die Bibel nicht lesen;
- diejenigen, die die Bibel lesen und auf dem Hintergrund der Geschichte und ohne Scheuklappen gegenüber den Wissenschaften zu verstehen suchen;
- diejenigen, die die Bibel so lesen wie ich die gesammelten Werke von Karl May: mit Interesse und Neugier, ohne jedoch eine höhere Moral im Wort Gottes zu sehen;
- diejenigen, die die Bibel lesen und sie eigentlich wörtlich übernehmen möchten, je nach Unglaubwürdigkeit im Text einige Passagen als interpretationswürdig erachten und überdies den Darwinismus ablehnen;
- und die Gruppe der Christen, für die die Bibel wortwörtlich zu verstehen ist.
Ich beschäftigte mich mit dem Ansatz der Letztgenannten. Also unter dem Aspekt, wenn man die Bibel wortwörtlich als Wahrheit interpretiert.
Bereits im Kapitel 6 der Genesis konnte ich die Bibel getrost zur Seite legen. Ich kam zum Schluss, dass die wortwörtliche Auslegung der Bibel eine unglaubliche Dummheit ist.
Anzufügen ist ausserdem, dass ich die Bibel nur in der Übersetzung auf Deutsch und in der Fassung der «Neuen Jerusalemer Bibel» gelesen habe. Meine zu Papier gebrachten Gedanken würden einer wissenschaftlichen Überprüfung sicherlich nicht standhalten - das passt übrigens wie die Faust aufs Auge gerade zu den Leuten, die die Bibel wortwörtlich auslegen, denn für diese Menschen sind die Wissenschaften ja Humbug.
Wiederholung: Der Text ist aus der Sicht der Personen geschrieben, die die Bibel wortwörtlich interpretieren.
Kommen wir zum Buch Genesis.
Zu Beginn der Bibel hat der Herr doch allerhand zu tun. Es gilt, die Welt und, als Sahnehäubchen dazu, den Menschen zu erschaffen. Mit der Welt scheint der Herr ganz zufrieden zu sein. Mit dem Menschen hadert er seit dem Sündenfall doch immer wieder.
Seine erzieherisch-pädagogische Lösung findet dann kurz darauf, bei Noah, seinen Höhepunkt, als er sich entschliesst, alle Lebewesen vom Erdboden zu tilgen. Ausser Noah, seiner Frau, den drei Söhnen und deren Frauen.
Der Herr befiehlt Noah den Bau der Arche. Noah soll für das Tierreich den Fortbestand der existierenden Rassen garantieren und von jedem lebenden Tier mindestens ein Paar auf die Arche nehmen.
Dann kam der grosse Regen. Nachdem das Wasser alles verschlungen hatte und nur die Arche und seine Bewohner überlebt hatten, war es an den Söhnen des Noah, die ganzen Stämme zu zeugen, die dann die Grundlage für die menschliche Besiedelung des Planeten Erde waren.
Und so zeugten die drei Söhne was das Zeug hielt. Leider waren zwei der drei Söhne nur fähig Buben zu zeugen. Nur einer schaffte es, Mädchen zu zeugen. Gezeugt wurden mehrere Stämme, viele tausend Leben und diese Leben entsprangen nur dem Schoss der Mutter und der Frauen der Söhne. Diese vier Frauen als Gebärmaschinen hatten eine Sisyphusaufgabe: Während Jahrhunderten konstant schwanger zu werden, Kinder auszutragen. Und endlich: ein Mädchen. Dieses musste in Kürze auch tragfähig sein und wurde zur Geburtsstation Nummer 5. Und so ging es weiter, bis all die Stämme gezeugt waren, die die Erde bevölkerten.
Wenn man sich dieses muntere Treiben vor Augen hält, dann muss man zum Schluss kommen, dass Inzest betrieben wurde. Zudem ist der Herr ein gnadenloser Massenmörder.
Das, dass Gott ein Massenmörder ist und Inzest gutheisst, kann schlicht nicht im Sinne der Verfasser sein.
Benjamin Zurrón